Ein Holzwagen für alle Fälle: 5 Hersteller von Zirkus- und Schäferwagen im Gespräch
Sie erfreuen sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit: Zirkus- und Schäferwagen. In ganz Deutschland gibt es Unternehmen, die ihren Kunden deren individuellen Traum von einem ganz besonderen Ort zum Wohlfühlen, Kreativsein und Wohnen erfüllen. Wir sind diesem Trend auf den Grund gegangen und haben mit einigen deutschen Herstellern gesprochen. Dabei haben wir festgestellt: Ein solcher Holzwagen kann vieles sein – ein fahrbares Café, ein alternativer Wohnsitz oder ein Hotelzimmer. Eines ist er aber immer: unglaublich gemütlich und ein echter Hingucker.
Die RIEWA Schäferwagen-Manufaktur
Unsere erste Station ist der bayerische Ort Hainsfarth im Nördlinger Ries. Hier liegt die Schreinerei Engelhardt, zu der die RIEWA Schäferwagen-Manufaktur gehört. Das Team um den Schreinermeister und Inhaber Martin Engelhardt fertigt aus Holz nicht nur Kommoden, Betten oder Garderoben, sondern seit einigen Jahren auch klassische Schäferwagen.
Begonnen hat alles mit der Anfrage eines Bekannten. „Im Lauf der Zeit stiegen sowohl die Anfragen als auch der Umfang und Ausstattung unserer Wagen bis hin zur vollwertigen alternativen Wohnung“, erklärt Martin Engelhardt. Wie ein komplett bewohnbarer Zirkuswagen aussehen kann, veranschaulicht das Modell „Arktis“: Im acht Meter langen und zweieinhalb Meter breiten Innenraum ist Platz für alles, was man zum Wohnen braucht: von der Küchenzeile bis zum Schlafraum!
Solide Handwerkskunst
Beim Schäferwagenbau kommt Engelhardt und seinen Mitarbeitern die langjährige Erfahrung in der Holzverarbeitung zugute. Solide handwerkliche Arbeit ist für sie das A und O. Deshalb macht dem Schreinermeister „das kooperative Zusammenarbeiten mit Menschen, die Sinn und Freude für Wertigkeit und Qualität empfinden“ besonders viel Spaß. Dabei sieht er es zudem als seine Herausforderung an „deren Wünsche zu übertreffen“.
Ein Schäferwagen reist nach Frankreich
Uns interessierte, was der außergewöhnlichste Kundenwunsch war, mit dem die RIEWA-Manufaktur es bisher zu tun hatte? „Das war ein Saunawagen – etwas größer als gewohnt und mit Vorraum. In diesen montierten wir gleich noch ein Solarium mit ein“, erinnert sich Engelhardt. „Dieser Wagen ging zudem auf große Reise: nach Frankreich an den Genfer See.“
„Ein Schäferwagen ist, wie der Name sagt, ein Wagen – sprich: ein Fahrzeug. Dafür bedarf es keiner Baugenehmigung. Es empfiehlt sich jedoch, mögliche Betroffene (z.B. Nachbarn) miteinzubeziehen, bevor man den Wagen auf dem eigenen Grundstück aufstellt!“
Oberlichtwagen für besondere Ansprüche: Die Zirkuswagen-Manufaktur
Für Jorik Maidt ist es jedes Mal ein kleines Wunder, wenn das, was zuerst nur ein bloßes Fahrgestell war, als ganzer Wagen aus der Werkstatt rollt. In Leipzig stellen er und sein Kollege Fabian Krüger Zirkuswagen für die unterschiedlichsten Kundenwünsche und Anforderungen her.
„Der typische Kunde lässt sich schwer benennen“, erklärt Maidt. Der Tischlermeister liebt an seinem Beruf gerade den Kontakt mit sehr unterschiedlichen und besonderen Menschen, die alle ihre eigenen Wünsche und Lebensgeschichten mitbringen. „Manche unserer Wagen werden als Aufenthaltsraum eines Waldkindergartens oder auch als Wohnraum genutzt. Ein anderer dient als therapeutische Praxis. Aktuell gestalten wir einen Wagen für ein Schweizer Paar, das diesen als dauerhaften Wohnsitz nutzen möchte.“
Mehr als nur ein Produkt
Ihre Zirkuswagen sind für die Leipziger „mehr als nur ein Produkt“, sondern vielmehr „ein Lebenskonzept“. Ihre Oberlichtwagen liegen den beiden besonders am Herzen: Im Dach dieses Wagenmodells sind beidseitig Oberlichtelemente eingearbeitet, sodass viel Tageslicht in das Innere dringen kann.
Wichtig ist Maidt und seinem Kollegen, dass ihre Zirkuswagen höchsten Qualitätsstandards entsprechen. Außerdem legen sie großen Wert auf ökologische Herstellungsverfahren und den Bezug von Rohstoffen aus der Region. Wegen des hohen Anspruchs an Material und Verarbeitung bewegen sich die Produkte der Zirkuswagen-Manufaktur „im oberen Preissegment“. Für eine reine Nutzung als Gartenhaus seien ihre anspruchsvoll gestalteten Wagen daher zu teuer, so Maidt.
Für die Stadt Zürich bauten Maidt und Krüger 2010 einen Zirkuswagen, in dessen Inneren eine Orgel aufgestellt wurde.
Bewohnbare Zirkuswagen als Trend
Ursprünglich war das Aufarbeiten alter Holzwagen ein Privatprojekt von Fabian Krüger, erst später stieß der Tischler Maidt dazu. Bald merkten die beiden, dass sie mit ihren Wagen einen Nerv trafen: Zirkus- und Schäferwagen, die als Wohn- oder Arbeitsräume genutzt werden können, erfreuen sich einer regen Nachfrage. „Der Trend geht zu Mikrohäusern“, erklärt Maidt: Immer mehr Menschen wünschten sich, statt in einem großen Haus auf eher beengtem Raum zu wohnen – und sich so auf das Wesentliche zu beschränken.
Aus den USA kommt der Trend zum Wohnen in „tiny houses“, übersetzt: „winzigen Häusern“. Ob ein Kleinhaus aus Holz, ein Zirkuswagen oder gar ein Baumhaus – auf beengtem Raum zu Wohnen, bedeutet für eine wachsende Zahl Menschen Freiheit. Die Webseite tiny-houses.de informiert rund um dieses Thema. „Ökologischer Grundgedanke des Minihauses ist ein kleiner ‚Fußabdruck‘, also eine gute CO2-Bilanz durch ökologische Baustoffe, geringen Energiebedarf und eine kleinere verbaute Fläche“, heißt es dort. Gerade viele „moderne Nomaden“, denen Unabhängigkeit und Mobilität wichtig ist, finden in Minihäusern die ideale Alternative zum Wohnhaus in Normalgröße dar. Neben Bauprojekten in aller Welt stellt Tiny Houses auch eine Reihe an Holzwagen-Herstellern vor.
Inspiriert von „Herr der Ringe“: Der Hobbit-Wagen
Michael Hess aus Freiburg hat ein ganz spezielles Bauwagen-Modell entwickelt: den sogenannten Hobbit-Wagen. Inspiriert wurde das Gefährt von „der imposanten Architektur der Hobbit-Häuser aus der Filmreihe ‚Herr der Ringe‘“.
Wie alles begann
Michael Hess erzählt: „Angefangen hat alles, als ich mich 2012 bereit erklärt habe, den etwa 80 Jahre alten Zirkuswagen aus dem Waldkindergarten meiner Tochter zu restaurieren. Während dieser Zeit habe ich mit einem Bauplaner den Hobbit-Wagen entwickelt.“ Dieses Konzept kam so gut an, dass ein Jahr später der erste Auftrag kam: Hess und sein Mitstreiter bauten ihren ersten Hobbit- Wagen für einen Waldkindergarten.
Gerade das besondere Äußere von Hess‘ Holzwagen regt die Fantasie von Groß und Klein an. Sie wirken ein bisschen so „als ob sie aus einem Märchen in die reale Welt rübergebeamt worden wären“, findet Hess. Wegen der Verarbeitung nachhaltiger Materialien stimmen die Hobbit-Wagen mit den Grundsätzen naturverbundener Waldkindergärten und Waldkinderkrippen überein. Bei schlechtem Wetter spielen die Kinder im gemütlichen Wageninneren – je nach Wunsch gestaltet Hess den Raum ganz individuell mit bunten Zierleisten oder Wandverkleidungen.
Der Hobbit-Wagen als Kaffee-Ausschank
Doch die Holzwagenmodelle von Michael Hess sind nicht nur besondere Orte zum Wohnen, Arbeiten oder Spielen. Uns hat ein ganz spezielles Projekt begeistert: das Gourmet-Café. Dieses Café auf Rädern ist in der Freiburger Region unterwegs und hat neben feinen Kaffeesorten und ausgesuchten Getränkespezialitäten auch vegane Kuchen im Angebot. Auch auf Märkten und anderen Veranstaltungen taucht das rollende Café auf – und sorgt für einiges Aufsehen.
An seiner Arbeit macht Michael Hess fast alles Spaß, denn er hat sein Hobby zum Beruf gemacht: „Der Weg vom Entwickeln bis zum fertigen Wagen ist sehr vielseitig und man wird immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. So wird es nie langweilig und ich habe Spaß bei allen Arbeitsschritten.“
Ein Holzwagen zum Wohlfühlen: Der Wohlwagen
Richtig luxuriös wirkt der sogenannte Wohlwagen von Alex Borghorst. Mit 28 Quadratmetern Fläche, drei klar gegliederten Wohnbereichen und wintertauglicher Isolierung lässt sich dieser Holzwagen auch ideal als Hauptwohnsitz nutzen.
Holzwagen mit Erker
Das Highlight des Wohlwagens: der Erker gegenüber dem Eingang. Befindet sich der Wagen einmal auf seinem Standplatz, wird dieser Erker einfach herausgeschoben – und bietet rund sechs Quadratmeter Wohnfläche. Der Göttinger Alex Borghorst hat seine Idee bereits zum Patent angemeldet.
Studentenleben: Ein Zirkuswagen als Gästezimmer
Woher stammt eigentlich die Idee zum Wohlwagen? Borghorst erzählt uns von seinen Studienjahren: „Zu Studentenzeiten kauften wir einen alten Zirkuswagen, weil ein Zimmer im Haus fehlte. Er begleitete uns durch die verschiedenen Gärten unseres Lebens und diente als Gästezimmer. Viele Freunde wachten morgens begeistert auf, fragten nach Bezugsmöglichkeiten und blieben länger als geplant.“
Mittlerweile stellt Borghorst seine Zirkuswagen der anderen Art für Menschen her, „die entspannenden Abstand zum Alltag suchen oder ihrer kreativen Tätigkeit einen anregenden Raum geben möchten“. Die Bestandteile des Wagens fertigen für ihn Firmen im In- und Ausland.
Was beim Aufstellen zu beachten ist
Borghorst empfiehlt, seinen Wohlwagen „an einem ruhigen Plätzchen mit der Front nach Süden“ aufzustellen: „Der Untergrund sollte eben sein, plus/minus 10 Zentimeter. Zur Standabstützung liefern wir sechs Drehstützen zur Nivellierung und Fahrwerksentlastung. Diese Punkte sollten frosttief ausgehoben und mit Schotter aufgefüllt werden damit der Boden hier nicht auffrieren und im Frühjahr zusammentauen kann.“
Die Ideen und Wünsche seiner Kunden stehen für Borghorst im Vordergrund. Gemeinsam mit ihnen sucht er nach der idealen Lösung für ihre Vorschläge, ob es nun ein Ferienhaus, eine Gästewohnung oder ein Büro sein soll.
Gefragt nach einem besonders ausgefallenen Kundenwunsch antwortet Alex Borghorst: „Eine in den Wagenboden eingelassene Badewanne vor dem Klappbett in einem Wohlwagen der von 4 russischen Kaltblütern nach Portugal gezogen werden sollte.“
Schäfer- und Zirkuswagenbau Jochen Müller
Seit 1996 gibt es den Schreinerbetrieb Jochen Müller in Deißlingen, der sich in den letzten Jahren auf den Bau von Schäfer- und Zirkuswagen spezialisiert hat. Zum Schäferwagenbau kam Jochen Müller ganz klassisch, nämlich über die Haltung seiner eigenen Schafe. Nun stellen er und sein Team mit Begeisterung Holzwagen her – jeder einzelne ein Unikat.
Das richtige Holz finden
Für den Bau der Zirkuswagen verwenden die Wagenbauer einheimische Hölzer. Als Fachleute wissen sie genau, welche Holzarten an welcher Stelle des Wagens eingesetzt werden sollten und können auch deren jeweilige Eigenschaften und Vorteile benennen. Für den Außenaufbau eignen sich haltbar gemachte Materialien wie Lärche, Douglasie oder Eiche. Für den Boden und die Möbel im Inneren verwenden die Schreiner dagegen Fichte, Altholz und neuerdings auch das Holz der Zirbelkiefer.
Von Altbauten zum Schäferwagen
Bei ihrer Arbeit kommen Müller und seinen Mitarbeitern ihr Wissen aus früheren Projekten zugute: „Das handwerkliche Wissen haben wir uns durch unsere Tätigkeit im Renovieren von historischen Altbauten angeeignet.“
Die Freude am Umgang mit historischen Elementen macht sich auch an den Schäfer- und Zirkuswagen bemerkbar: So baut das Schreinerei-Team neben modernen Isolierglasfenstern beispielsweise auch Fenster aus historischem Bestand ein. Außerdem verwenden sie für ihre Wagen gerne historische Vorlagen. Die technische Ausstattung – etwa in Blick auf Dämmung oder Wärmequellen – ist dagegen immer auf dem neuesten Stand.
Schäferwagen statt Hotelzimmer
Träumen Sie davon, einmal eine Nacht im Schäferwagen zu verbringen? Das ist kein Ding der Unmöglichkeit, denn Hotels und Pensionen haben an den schmucken Holzwagen längst Gefallen gefunden. Jochen Müller und sein Team bekommen regelmäßig Aufträge vom Gastgewerbe: „Aktuell werden zwei Schäferwagen als Gästezimmer für einen Bauernhof gebaut. Noch in der Planung sind zwei Wohlfühlwagen für ein Luxushotel. Diese werden dem Zimmerstil mit Spiegel und Balkon angepasst.“
Ob als Spielraum für Kindergärten, als privater Rückzugsort oder als Reisewagen: Die Einsatzmöglichkeiten der Wagen aus der Schreinerei Müller sind so vielfältig wie die Wünsche ihrer Kunden. Gedacht sind die Holzwagen von Jochen Müller insbesondere „für Individualisten, die einen Traum auf Rädern verwirklichen wollen“.
Die Gartenhaus GmbH bedankt sich bei allen Interview-Partnern für die freundlichen Auskünfte!
Beitragsbild: A. Borghorst, wohlwagen.de
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